
Ob mit 14, 34 oder 54: Wer verlassen wird oder sich trennt, kann heftig leiden, mit ganz realen Schmerzen, Schlafstörungen, Antriebslosigkeit und mangelndem Appetit. Liebeskummer ist weitaus mehr als nur ein vorübergehendes Stimmungstief – sie kann zu einer ernsthaften emotionalen Belastung werden, die uns lähmt und ein Gefühl von Aussichtslosigkeit hinterlässt.
Eine Sackgasse, bei der der Schmerz oft noch schlimmer ist, wenn sich der Ex-Partner, um den getrauert wird, viel leichter mit der Trennung zu tun scheint und viel schneller wieder im Leben Fuß fasst als man selbst. Aber warum leiden wir Menschen unterschiedlich, wenn wir doch innerhalb der Beziehung gefühlt gleichermaßen geliebt haben, oder ist das vielleicht gar nicht so?
Wie sehr jemand liebt und dann auch unter einer Trennung leidet, hat häufig mit erlernter frühkindlicher Bindungsfähigkeit zu tun. Menschen bauen in den ersten Lebensjahren eine Bindung zu ihren primären Bezugspersonen auf. Meist sind das die Eltern. Diese erste Beziehungserfahrung prägt den Menschen ein Leben lang. Eine sichere Bindung zwischen Kleinkind und primärer Bezugsperson ist eine gute Voraussetzung dafür, dass im Erwachsenenalter stabile Beziehungen aufgebaut werden können. Demgegenüber stehen verschiedene Formen der unsicheren Bindung.
Bindungstypen – warum Liebeskummer für jeden anders ist
Wie stark uns Liebeskummer trifft und wie wir ihn verarbeiten, hängt dementsprechend nicht nur von der Art und Länge der Beziehung ab, sondern auch davon, welcher Bindungstyp auf uns zutrifft. Diese tief verankerten Muster prägen, wie wir lieben, vertrauen, loslassen und heilen. Hier ein Überblick über die unterschiedlichen Arten der Bindung:
1. Der sichere Bindungstyp
Menschen mit einer sicheren Bindung haben über ihre Eltern oder ersten Bezugspersonen meist früh gelernt, dass sie sich auf andere verlassen können. Sie können Liebe zulassen und auch loslassen, wenn es sein muss. Liebeskummer fühlt sich für sie eher wie folgt an:
- Schmerzhaft, aber sie sind in der Lage ihn gesund verarbeiten
- sie haben die Fähigkeit, Unterstützung zu suchen und eigene Bedürfnisse zu erkennen
- für sie besteht eine größere Chance, neue Beziehungen wieder zuzulassen
2. Der ängstlich-ambivalente Bindungstyp
Diese Menschen haben oft erlebt, dass Nähe unsicher ist – mal verfügbar, mal entzogen. Sie sehnen sich stark nach Nähe, haben aber große Angst vor dem Verlassenwerden.
Im Liebeskummer haben sie:
- intensive, fast überwältigende Gefühle von Verlust und Verzweiflung
- Schwierigkeitein loszulassen
- Starke Angst, nie wieder geliebt zu werden
- Häufig kreisen Gedanken darum, was sie „falsch gemacht“ haben könnten oder sie suchen die Schuld bei dem Partner und fordern hier die Bestätigung für dessen Verfehlungen ein
3. Der vermeidende Bindungstyp
Vermeidende Bindungstypen haben gelernt, emotional auf Distanz zu gehen, weil sie Beziehungen als unsicher oder kontrollierend erlebt haben. Nähe kann als Bedrohung empfunden werden. Im Liebeskummer:
- wird der Schmerz oft verdrängt oder rationalisiert („Es war eh nicht so wichtig“).
- Gefühle werden abgewehrt, aber innerlich bleibt oft eine tiefe Einsamkeit
- besteht Gefahr, den Verlust zu verdrängen ohne ihn wirklich zu verarbeiten.
4. Der ängstlich-vermeidende Bindungstyp
Menschen mit diesem Muster haben oft widersprüchliche Erfahrungen mit Bindung gemacht: Sie suchen Nähe und haben gleichzeitig Angst davor. Im Liebeskummer:
- haben sie starke emotionale Schwankungen: Sehnsucht nach dem Partner und gleichzeitig Flucht vor den Gefühlen
- große innere Verwirrung, Misstrauen gegen sich selbst und andere
- für sie ist der Heilungsprozess ohne Unterstützung besonders schwer
Selbstreflexion: Welcher Bindungstyp bin ich?
Aber ist das wirklich unveränderlich? Nein, unterschiedliche Bindungserfahrungen im Laufe unseres Lebens können uns im Erwachsenenalter helfen, unsere erlernte Bindungsstruktur aus der Kindheit zu verändern, dafür ist es aber wichtig, uns zu reflektieren und uns unserer eigenen Muster gewahr zu werden. Hier ein Selbsttest:
- Wie gehe ich mit Nähe um?
Fühle ich mich wohl, wenn ich jemandem emotional nahe bin? Oder brauche ich schnell wieder Abstand? - Wie reagiere ich auf Verlust oder Trennung?
Habe ich das Gefühl, ohne den anderen „nicht leben zu können“? Oder schiebe ich Trauer lieber weg und tue, als wäre nichts gewesen? - Wie erlebe ich Vertrauen?
Fällt es mir leicht, anderen Menschen zu vertrauen – oder rechne ich eher damit, verletzt oder enttäuscht zu werden?
Spätestens für eine neue Beziehung ist die Selbstreflexion des Bindungstyps sehr hilfreich. Unabhängig davon gilt natürlich immer: Je intensiver und enger die gefühlte Verbindung war, desto schwerer ist es, sich wieder zu lösen. Dafür spielt es kaum eine Rolle, wie lange die Beziehung gedauert hat, ob es eine mehrjährige Partnerschaft war oder nur eine kurze Affäre am Arbeitsplatz. Häufig neigen Menschen zusätzlich dazu, eine Beziehung nach der Trennung auch noch zu überhöhen und als nahezu perfekt anzusehen.
Wie lange dauert Liebeskummer?
Auf die Frage wie lange Liebeskummer dauert gibt es keine allgemeingültige Antwort, aber ein Anhaltspunkt kann das traditionelle Trauerjahr als Vergleich herangezogen werden, denn eine Trennung kann mit einem Verlust eines geliebten Menschen gleich gesetzt werden. Dennoch gibt es Fälle, in denen es schneller geht und ebenso welche, in denen der Trauerprozess noch deutlich länger als ein Jahr braucht.
Klar ist, dass die emotionale Verletzung Zeit zum Heilen braucht. Dabei hilft es zu akzeptieren, dass es vorbei ist und die Beziehung nicht funktioniert hat. Und auch das Gefühl des Schmerzes sollte zugelassen und ausgelebt werden. Es ist wichtig, zu akzeptieren, dass es wehtut, wenn eine Beziehung sehr tief und emotional schön gewesen ist und endet. Und sich bewusst werden zu lassen, dass das Scheitern einer Beziehung kein Scheitern der eigenen Person ist, also nicht den Selbstwert beeinflussen sollte.
Erkenntnis und Zuversicht
Niemand sollte die Macht besitzen, den Wert eines anderen Menschen von außen bestimmen zu können, auch nicht der Ex-Partner. Wer glaubt, nach einer Trennung nie wieder glücklich werden zu können oder unbedingt diesen einen Menschen dazu zu brauchen, steht sich unnötig selbst im Weg. Die innere Einstellung entscheidet stark darüber, wie schmerzhaft eine Trennung erlebt wird.
Hier hilft es, sich dem Gedanken zu öffnen, dass eine Trennung nicht das Ende des Lebens ist, sondern auch eine neue Chance bedeuten kann. Nur so vergeht irgendwann das Gefühl der Hoffnungslosigkeit und es wird Raum für einen Neuanfang im Leben geschaffen.
Die Erkenntnis, dass alles Schöne in der Vergangenheit zur Hälfte immer auch von einem selbst erschaffen wurde ist wichtig, um wieder einen eigenen Antrieb für Neues zu entwickeln. Viele Menschen mit Liebeskummer sind auf ihr Umfeld angewiesen, das sie darin bestärkt, sich selbst zu vertrauen und mit Ablenkung und Aktivitäten ganz bewusst wieder neue, schöne Erinnerungen schafft.
Mit ein bisschen Abstand wird häufig realisiert, dass ein neues Zukunftskonzept vielleicht viel besser passt als das alte Beziehungssystem, dass ja aus realen Gründen nicht gehalten hat. Und so bekommt die Trennung etwas Sinnhaftes, was lange unmöglich erschien.


