
„Ich darf mir keine Fehler erlauben und muss perfekt sein, um akzeptiert zu werden.“ Wer so denkt, wird oft als ehrgeizig, engagiert oder sogar vorbildlich angesehen. Doch hinter dem scheinbar makellosen Streben nach Höchstleistung verbirgt sich nicht selten ein innerer Druck, der langfristig mehr schadet als nützt.
Perfektionistische Menschen versuchen, ein fehlendes inneres Selbstwertgefühl durch äußeren Perfektionismus zu überdecken und rundherum unangreifbar sein: Mit einem perfekten Körper, gesunder Ernährung, nachhaltiger, aber korrekter Kleidung, einer aufgeräumten Wohnung, beruflichem Erfolg und gut erzogenen Kindern.
Resilienz statt Perfektion – Fehler als Lernchance
Perfekt leitet sich lateinisch von Perfektus ab und bezeichnet ursprünglich einen vollendeten, abgeschlossenen Vorgang im Sinne der Zeitform Perfekt. Als perfekt galt, was endgültig abgemacht war, z.B. bei Rechtsgeschäften, eine Nachbesserung war nicht möglich. Und das ist auch heute noch Teil des Perfektionismus, bei dem erhofft wird, ein Hinterfragen bzw. Kritik durch andere von vorneherein auszuschließen. In unserer Gesellschaft zeigt sich Perfektionismus häufig, indem von sich selbst oder anderen eine höhere Leistungsqualität erwartet wird, als es die Situation eigentlich erfordert. Das kann langfristig zu Erschöpfung führen.
Der Gegenpol dazu ist die Resilienz und mit ihr die Fähigkeit, mit Kompromissen, Kritik und Rückschlägen umzugehen. Resiliente Menschen sehen Fehler nicht als Ausdruck von Schwäche und vernichtend an, sondern als lehrreich. Sie lernen daraus und schaffen es leichter, sich von Krisen zu erholen und trotz Widrigkeiten weiterzumachen. Klingt entspannt, ist aber für Perfektionisten zum Teil undenkbar.
Angst vor Kontrollverlust
Häufig ist es nämlich genau die Angst vor dem Versagen oder die Befürchtung zu Scheitern mit der Angst verbunden, Wertschätzung, Anerkennung und am Ende auch Liebe der Mitmenschen zu verlieren. Perfektionismus suggeriert ihnen Kontrolle und Sicherheit. Wenn ich alles perfekt mache, kann mir niemand etwas vorwerfen und es kann nichts schiefgehen – so zumindest die Hoffnung. Doch das Leben ist selten planbar, Liebe hängt nicht von Unfehlbarkeit ab und eh sind Fehler unvermeidlich. Das kann der Perfektionist aber nicht sehen und empfindet Schwäche als persönliches Scheitern.
Natürlich kann Perfektionismus auch motivieren – keine Frage. Aber er wird dann zum Problem, wenn er lähmt, statt antreibt. Es wird daher zwischen zwei Formen unterschieden, dem funktionalem und dem dysfunktionalen Perfektionismus. Während ersterer eher mit einer Leidenschaft für eine bestimmte Sache vergleichbar ist und dem Wunsch in bestimmten Bereichen einfach gut zu sein, kippt bei letzterem der Wunsch nach Perfektion in ein zwanghaftes Verhalten. Betroffene setzen sich unrealistische Ziele, haben panische Angst vor Fehlern und erleben starke Selbstzweifel, wenn sie diese nicht erreichen. Oft begleitet von Überarbeitung, kann dysfunktionaler Perfektionismus zu Burnout, Depressionen oder Angststörungen führen.
Wo Perfektionismus beginnt: Kindheit als Wurzel
Für die Entstehung von Perfektionismus kann unter anderem die Prägung durch zentrale Bezugspersonen (z.B. in der Familie) ein wichtiger Faktor sein. Beispielsweise können zu hohe Erwartungen und Richtlinien von Eltern dazu führen, dass Kinder perfektionistische Ansprüche entwickeln. Aber auch in einem Erziehungs-Kontext ohne feste Strukturen und Regeln kann ein Kind, dass sich zum Beispiel allein gelassen fühlt und zu früh zu viel Verantwortung übernehmen muss, durch das Entwickeln von Perfektionismus versuchen, ein Gefühl von Kontrolle zu erlangen.
Was in der Kindheit dann eine Überlebensstrategie war, kann im Erwachsenenleben zur bleibenden Belastung werden, denn das eigene Selbstwertgefühl bleibt dauerhaft vom Außen abhängig.
Der Weg zu mehr Resilienz – Selbstwert stärken
Resilienz bedeutet: Ich bin auch dann wertvoll, wenn ich Fehler mache.
Menschen mit gesunder Resilienz …
- haben ein stabiles inneres Fundament,
- wissen um ihre Stärken und Schwächen,
- erlauben sich Emotionen,
- schaffen einen Perspektivwechsel statt zu verurteilen,
- geben sich und anderen Raum zur Entwicklung.
Perfektion engt ein – Resilienz macht frei. Und obwohl wir Perfektion oft bewundern, sind es meist die unperfekten, authentischen Menschen, die uns wirklich berühren.
Impulse für mehr Selbstfürsorge statt Selbstoptimierung
Hier einige Schritte auf dem Weg von der Selbstkritik zur Selbstannahme:
- Kindheit reflektieren: Woher kommt mein Drang zur Perfektion? Was habe ich über Leistung und Fehler gelernt?
- Selbstmitgefühl üben: Lerne, mit dir selbst milde zu sein.
- Selbstwert entkoppeln: Du bist mehr als deine Leistung.
- Fehler integrieren: Nicht vermeiden – anfangen. In kleinen Schritten, ohne perfekte Vorbereitung.
- „Gut genug“ feiern: Wann ist es genug? Lerne, deine Bedürfnisse wahrzunehmen und Pausen zu erlauben.
Perfektionismus will kontrollieren – Resilienz vertraut.
Perfektionismus will beweisen – Resilienz erlaubt sein.
Perfektionismus will makellos sein – Resilienz ist menschlich.
Dein nächster Schritt
Du musst nicht perfekt sein, um wertvoll zu sein. Vielleicht ist genau das der Wendepunkt: Nicht mehr einem Idealbild nachzujagen – sondern dich selbst liebevoll in deiner Ganzheit anzunehmen.
Als Resilienztherapeutin begleite ich Menschen dabei, ihre inneren Kraftquellen zu entdecken, Muster zu erkennen und mehr Selbstmitgefühl zu entwickeln. Wenn du das Gefühl hast, dein Perfektionismus nimmt dir mehr, als er dir gibt – dann lass uns gemeinsam hinschauen. Schritt für Schritt. Echt, menschlich, und ohne Druck.
Melde dich gern für ein unverbindliches Kennenlerngespräch – ich freue mich darauf, dich kennenzulernen.


